Audienz beim Papst

 

„Unter Audienz (von lateinisch audire ‚hören‘) versteht man die Gewährung des Erscheinens vor einer deutlich höhergestellten Person.“ So steht es bei Wikipedia, und das lässt sich ja auch aus dem Begriff ableiten: Es geht darum, angehört zu werden, nicht etwa um einen Dialog auf Augenhöhe. Wer sich zu einer Audienz beim Papst begibt, akzeptiert also unausgesprochen, dass er sich unterordnen muss. Damit haben Staatsoberhäupter, Regierungschefs, Ministerpräsidenten offenbar kein Problem. Die Liste deutscher Politiker*innen, die sich dieser Prozedur unterworfen haben, reicht von Merkel und Merz über Ministerpräsidenten einzelner Bundesländer bis zu Bundespräsident Steinmeier. Selbst Präsidenten der USA haben sich vor dem katholischen Oberbischof gebeugt. Donald Trump wäre selbst gern Papst. Als mächtigster Mann der Welt zu gelten, reicht ihm nicht. Andrea Nahles hat es vor einiger Zeit auf den Punkt gebracht: Als sie SPD-Generalsekretärin war, gab sie in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung vom 24.1.2010 ihre Überzeugung preis, der Papst sei „der Chef vom Ganzen“.

Im September 2011 durfte Papst Benedikt XVI – als Oberhaupt des Staates „Vatikanstadt“, so die offizielle Begründung – im Deutschen Bundestag reden. Etwa hundert Abgeordnete haben bereits im Vorfeld wissen lassen, sie zögen es vor, während der Rede nicht anwesend zu sein. Die dadurch frei bleibenden Plätze wurden mit Ersatzleuten besetzt. Ein kaum zu übertreffender Affront allen Abgeordneten gegenüber. Offenbar war es egal, wie sich das Auditorium zusammensetzte. Hauptsache, der Huldigungs-Schein wurde nicht angekratzt.

Warum wird dem Papst diese hohe Stellung eingeräumt? An seinem Einfluss auf das Weltgeschehen kann es nicht liegen, denn der ist gleich Null. Mit Appellen kann der Papst zum Frieden mahnen, er kann der Welt seinen Segen erteilen, aber an der Realität ändert das nichts. Mir fällt dazu nur eine Erklärung ein: Politiker, die den Papst hofieren, versuchen damit bei ihrer Wählerschaft zu punkten. Wenn die Bevölkerung zum großen Teil aus Fußballfans besteht, „muss“ ein Politiker Interesse für Fußball zeigen. Wenn die Wähler*innen vermeintlich überwiegend Papst-gläubig sind, scheint es politisch opportun zu sein, sich dem anzuschließen.

Diese Sichtweise betrifft nicht nur das Verhältnis zum Papst, sondern darüber hinaus das zu den christlichen Kirchen, insbesondere zur katholischen. Unser demokratisch organisierter Staat hofiert die obrigkeitsorientierten und weitgehend autoritär strukturierten Kirchen. Welche Kompetenz unterstellt man eigentlich den Kirchenvertretern, die zu Rate gezogen werden, wo immer es um gesellschaftspolitische Fragen geht?

Übrigens: Angeblich werden die kirchlichen Glaubensvermittler durch den Heiligen Geist geleitet. Wie kommt dann aber eine Hierarchie mit dem Papst an der Spitze zustande? Hat der Heilige Geist Bischöfe und Kardinäle mehr erleuchtet als einfache Priester?