Ein Plural nur für Frauen

Falls es noch nicht aufgefallen ist: Frauen werden in der Literatur und im üblichen Sprachgebrauch oft im Plural genannt, obwohl sie als einzelne Person gemeint sind. Das gilt zumindest, seit das Gendern erfunden wurde.

Wer das Buch „Annette, ein Heldinnenepos" von Anne Weber vor sich liegen sieht, mag zweifeln, wie der Titel gemeint ist. Eine einzelne Frau wird im Text als Heldin beschrieben. Geht es dennoch um Heldinnen? Will die Autorin die eine Heldin als Sinnbild für Heldinnen allgemein verstanden wissen?

In anderen Fällen scheidet Zweideutigkeit aus. Wo eine Frau das Steuerrad in der Hand hält, wird daraus gleich eine „Chefinnensache“. Ebenso sind die Bezeichnungen „Direktorinnen-Angelegenheit“, „Intendantinnen-Sache“ oder „Dirigentinnensache“ gebräuchlich. Wenn der Bundeskanzler sich eine Entscheidung vorbehält, dann ist das „Chefsache“. Die gleiche Formulierung wird für Männer in allen möglichen Vorgesetzten-Positionen angewandt. Aber hat man jemals etwas von „Chefinsache“ gehört oder gelesen? Ich nicht.

Nicht sehr häufig gelingt es einer Frau, eine hohe Führungsposition einzunehmen. Da mag die „Chefinsache“ gewöhnungsbedürftig sein. Mit „Chefinnensache“ wird die Gewöhnung aber nicht leichter und der Anteil von Frauen in dominierender Stellung wird dadurch nicht größer. Wo also könnte die Ursache für diese Pluralisierung liegen?

Küchenpsychologisch komme ich zu folgender Vermutung. Frauen in Führungspositionen bilden nicht nur eine Minderheit, sie sind aus der Sicht konservativ fühlender Männer sogar Fehlbesetzungen. Solchen Männern fällt es schwer, Frauen Leitungskompetenzen zuzugestehen. Und was sie einer einzelnen Frau nicht zutrauen, legen sie in ihrer Vorstellung einfach zwei oder mehr Frauen gemeinsam in die Hand.